Wenn ein Team zweieinhalb Jahre in Folge nur gewinnt, wenn es in seiner Geschichte überhaupt nur eine Niederlage kassiert hat, dann mal wieder verliert und eigentlich niemand wirklich unzufrieden ist – enttäusch, ja, aber nicht unzufrieden – dann weiß man: Es ist etwas Besonderes passiert. So geschehen am Samstagnachmittag und -abend vor 2123 Zuschauern in der Grotenburg bei der 21:27 (0:14; 21:21)-Overtime-Niederlage der Krefeld Ravens gegen die Rostock Griffins. Denn was die zwischenzeitlich sehr enttäuschten und am Ende restlos begeisterten Besucher auf dem Rasen erlebten, war Football pur, Sport in Reinkultur, ein Wechselbad der Gefühle und einfach ein besonderes Event.
Die Ravens kamen gegen den Tabellenzweiten des Vorjahres und durchaus großen Favoriten der Liga, schwer ins Spiel. Es war zu spüren, dass die junge Mannschaft, mit unter 22 Jahren im Schnitt die jüngste der beiden höchsten Ligen in Deutschland, durchaus nervös war. Hinzu kam: Die Gäste präsentierten sich nicht nur abgezockt und eingespielt, sondern vor allem physisch enorm stark. Gerade die Duelle an den Linien dominierten die Gäste zunächst und konnten so immer wieder gut die Kette bewegen, während sich die Offense der Ravens zunächst schwer Tat, substanziellen Raumgewinn zu erzielen. Vor allem drei Spieler der Gäste waren von den Hausherren kaum zu stoppen: Runningback Armand Soulerot, Tightend Jonas Beumer und Receiver Ruben Saint-Jean. Dazu wusste sich Quarterback Vidal Woodruff immer wieder gut in Szene zu setzen. Dessen Krefelder Widerpart Lukas Wevelsiep hatte zunächst Probleme und überwarf bei einigen guten Spielzügen seine Receiver jeweils denkbar knapp. So war es kein Wunder, dass es jener Saint-Jean war, der nach einem langen Pass auf Lucian Stepanek, was die Griffins kurz vor die Endzone brachte, den Ball bekam. Er fing das Spielgerät gute fünf Yards vor der Endzone, wurde von von drei, vier Ravens getackelt, setzte sich aber dennoch durch und wuchtete den Ball mit einer absoluten Willensleistung über die Linie. So stand es, nach erfolgreichem PAT von Beumer, 0:7. Und weiter blieben die Gäste auf dem Gaspedal, auch wenn die Ravens durchaus mithielten und das Spiel eng zu halten vermochten. Das jedoch änderte sich in der letzten Minute der ersten Hälfte, denn die Griffins legten noch einmal einen starken Drive hin und kamen mit auslaufender Uhr zum letzten Pass. Aus 30 Yards bediente Woodruff mit einem absoluten Laser durch drei Ravens hindurch Soulerot und der fing den Ball stark zum zweiten Touchdown. Da Beumer auch diesen PAT verwandelte, ging es mit 0:14 in die Pause.
Zum zweiten Durchgang kamen die Ravens dann verbessert zurück und wussten die Griffins schnell zu stoppen – und wie! Max Emmerich kam durchgeflogen und schlug von der Blindside in Woodruff ein. Der verlor den Ball und Daryn Blackwell nahm das Rotationsellipsoid auf und sicherte so seinen Farben den Ballbesitz. Und jetzt ging es ganz schnell: Ein langer Pass auf Juju Minuth war erfolgreich und brachte die Ravens an die gegnerische Drei. Hier ging der Ball an Akiva Wedge und der Top-Runningback ging den restlichen Weg und kam zum 6:14. Allerdings blieb der PAT erfolglos und so fehlte ein Punkt. Wer nun aber dachte, die Griffins würden nervös, der sah sich getäuscht. Den durchaus möglichen Momentum-Swing verhinderten sie mit einem ruhigen, starken und erfolgreichen eigenen Drive, an dessen Ende Woodruff mit einem kürzeren Pass – wie die Griffins überhaupt meist auf schnelle, kurze Pässe setzten – auf Arthur Riemer. Der brach einen Tackle und hatte plötzlich viel Grün vor sich und kam zum 21:6 (PAT Beumer) in die Endzone. Bei diesem Spielstand blieb es dann bis ins letzte Quarter. Rund viereinhalb Minuten vor Spielende hatten die meisten Zuschauer die Hoffnung bereits verloren, nicht so aber das Team! Sie legten noch einmal einen starken Drive hin und an dessen Ende bediente Wevelsiep J’Mari Davis in der Endzone und der fing den Ball zum 12:21-Anschluss. Die Ravens aber brauchten dringend zwei Punkte und gingen so für die Two-Point-Conversion und die gelang! Akiva Wedge brachte seine Farben mit einem Hard-Nosed-Play durch die Mitte auf 14:21 heran. Jetzt also ging es darum, die Gäste zu stoppen – und das gelang! Rund zweieinhalb Minuten vor dem Ende bekamen die Schwarz-Gelben noch einmal tief in der eigenen Hälfte den Ball! Sie brauchten jetzt dringend einen Tochdown und mussten alles riskieren. Bei noch zwei Auszeiten und dem Two-Minute-Warning war aber noch genug Zeit auf der Uhr. Und Wevelsiep zeigte sich in dieser Phase komplett unbeeindruckt von den überworfenen Bällen des Spielbeginns. Er zeigte sich als echter Leader und führte sein Team über das Feld. Starke Pässe auf Keith Tanwani, Jakob Bojko oder Davis brachten die Ravens auch in engen Situationen bis an die Redzone der Griffins und so wurde es ein Herzschlagfinale. Und es sollte das bessere Ende für die Ravens geben, denn der Ravens-QB rollte nach rechts raus und fand dann in der Endzone den völlig freien David Crawford, der den Ball sicher herunter fischte und das Spiel, da beide Teams jetzt nichts mehr riskierten, in die Overtime, die erste in der Geschichte der Ravens, schickte.
Diese sollte dann an Dramatik nicht zu überbieten sein. Beide Teams bekamen den Ball an der gegnerischen 25 und mussten versuchen, zu punkten. Rostock blieb erfolglos und so reichten den Ravens ein Fieldgoal zum Sieg. Doch drei Plays mit Raumverlust und Flaggen warfen die Hausherren sogar zurück, so dass es am Ende ein langes 47-Yard-Fieldgoal wurde, das Ersatzkicker Bojko vor sich hatte. Die Länge hatte der vielseitige Receiver zwar, doch der Ball ging knapp links au seiner Sicht am Tor vorbei. So gab es die zweite Runde. Diesmal zeigten sich die Ravens stark, doch bei einem Pass auf Crawford war dieser mit dem Fuß im aus und so zählte sein Tochdown nicht. Im nächsten Versuch folgte der nächtste Pass in die Endzone. Davis wurde behindert, aber die Refs entschieden, dass es gerade noch okay war und so blieb die Flagge für Passbehinderung stecken. Damit hatten die Griffins ihrerseits die Chance und kamen zunächst nicht substanziell nach vorn. Doch im zweiten Versuch wählte man das Fieldgoal zum Sieg und was folgte, war der pure Football-Wahnsinn: Der Ball ging am Tor vorbei und das hätte die nächste Runde gebracht. Doch eine Flagge brachte den nächsten Versuch von Beumer, dem besten Scorer der Vorsaison in der GFL2. Doch wieder kamen die Ravens mit dem Big-Play: Sie blockten das Fieldgoal, doch der Ball sprang weg und am Ende sicherten ihn die Griffins – eine spielentscheidende Situation. Denn da es sich um den zweiten Versuch gehandelt hatte und der Ball nicht die Line of Scrimmage überquert hatte, blieben sie in Ballbesitz und bekamen den dritten Versuch. Und da zeigte Griffins-Trainer Markus Grahn seine ganze Erfahrung: Der HC der auch als Offense-Coordinator agiert, entschied, einen Trickspielzug zu wählen: Beumer stand als Kicker auf dem Feld, doch der Snap ging direkt zu ihm und er wählte den Pass auf Austin Wood und der fing sicher zum Endergebnis von 21:27.
So setzte es für die Ravens nach einem dramatischen, hochklassigen und begeisternden Spiel am Ende denkbar knapp die erste Niederlage für die Ravens nach zweieinhalb Jahren und die zweite ihrer Geschichte. Dennoch hat das Team absolut bewiesen, in der Liga mithalten zu können und mit der Erfahrung wird die Mannschaft in den kommenden Spielen ohne Frage auch ihre Erfolge holen. Es ist ein Rückschlag, aber es war Werbung für den Sport und wohl jeder im Stadion wird begeistert den Heimweg angetreten haben.
Die Scores im Überblick:
0:6 Saint-Jean (9.)
0:7 Breumer(9.)
0:13 Soulerot (24.)
0:14 Beumer (24.)
6:14 Wedge (30.)
6:20 Riemer (36.)
6:21 Beumer (36.)
12:21 Davis (44.)
14:21 Wedge (44.)
20:21 Crawford (47.)
21:21 Bojko (47.)
21:27 Wood (OT)